Sommerinterview des Neuen Tag mit Bezirkstagskandidatin Brigitte Scharf

Veröffentlicht am 08.09.2008 in Presse

Brigitte Scharf im Sommerinterview des Neuen Tag

Von sozialen Reizen und einem Spagat
SPD-Kandidatin Brigitte Scharf erzählt im Sommergespräch mit dem Neuen Tag, warum der Bezirkstag eine wichtige Einrichtung ist

Auch wenn der Bezirk als dritte kommunale Ebene immer wieder in die Kritik kommt, ein Auslaufmodell ist er für Brigitte Scharf nicht. Die SPD-Kandidatin aus Erbendorf hält die Einrichtung allein schon wegen ihrer vielfältigen sozialen Aufgaben für notwendig.

Im Sommer Gespräch mit Ressortleiter Berthold Zeitler erzählt die 50-Jährige, was sie so an Problemen und Lösungsansätzen sieht.

NT: Sie wollen in den Bezirkstag einziehen. Was reizt sie so an dem Gremium?
Weil man dort wirklich noch etwas für den Landkreis Tirschenreuth bewegen kann.

Als da wäre?
Alle großen sozialen Aufgaben sind doch hier auf der mittleren Ebene angesiedelt. Das ist den Menschen nur schwer zu vermitteln. Leider. Was der Bezirk alles tut, was er machen kann, das muss noch deutlich mehr in den Köpfen verankert werden. Man muss sich das selbst einmal verinnerlichen: 21 Einrichtungen betreibt der Bezirk Oberpfalz allein im Landkreis. Das ist ein gewaltiges Unternehmen, das auch jede Menge Arbeitsplätze vorhält.

Und dann meint der Großteil der Bevölkerung, der Bezirk ist der, der uns etwas nimmt.
Stimmt. Wenn es um Heimunterbringung, um Unterhaltspflicht, um Behinderte, um Pflege und was weiß ich noch alles geht und in den Förderanträgen Einkommen oder Besitztümer angegeben werden müssen, dann ist der Bezirk plötzlich derjenige, der einem etwas wegnimmt. Grundsätzlich ist das aber nicht so.

Sie sind ja beruflich bereits stark mit dem Sozialen verwurzelt.
Ja, als Verwaltungs-Fachangestellte in Krummennaab, wie das offiziell heißt, mit Rente und Kinder- und Pflegegeld, Hartz IV, halt mit allen sozialen Problemen, mit denen die Menschen unserer Gemeinde zu tun haben und sich nicht auskennen. Da kommen sie zu uns. Wir sind noch eine richtige ,Gmoi'. Verwaltungsgemeinschaft kennt doch keiner. Als ich damals angefangen habe, da hat der Mark-Schorsch, unser Bürgermeister, gesagt: ,Wir sind hier für den kleinen Mann da, für den Bürger auf der Straße.' Und daran halte ich mich.

Wer oder was hat sie sonst noch geprägt?
Ich stamme aus einer Arbeiterfamilie, schon mein Großvater war ein Sozi. Und meine Großmutter hat mir mal erzählt, dass sie das SPD-Abzeichen aus dem Blumentopf gezogen hat, als 1945 die Amis gekommen sind. Ich denke, das sitzt bei mir tief drin.

Und darum sind sie dann auch zur SPD gegangen?
Das war 1983. Ich mein, Krummennaab war lange eine Hochburg der Roten: Porzellanindustrie, viele Arbeiterfamilien, mein persönlicher Hintergrund - da hat sich das so ergeben. Ich war dann schnell Schriftführerin im Ortsverein, war im Unterbezirk, hab' die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen mit ins Leben gerufen und bin seit 25 Jahren stellvertretende Vorsitzende. Ich bin dann 1990 in den Erbendorfer Stadtrat gewählt worden und sechs Jahre später als Bürgermeister-Kandidatin angetreten.

Ohne Erfolg.
Sicher, aber die Kandidatur war für mich eine Frage der Ehre. Ich meine, gegen Eigner und Donko damals war von vornherein nichts zu gewinnen.

Aber dafür sind Sie in den Tirschenreuther Kreistag gewählt worden.
Da war ich selbst am meisten überrascht, wie kinderleicht das auf einmal ging. Schließlich war das ja nicht mein vorrangiges Ziel. Ich wollte ja Bürgermeisterin werden, war aber auf der Kreistagsliste gut vertreten. Das hat der Wähler honoriert.

Nochmals zurück zum Bezirk. Dessen Berechtigung wird ja immer wieder diskutiert. Ist die dritte kommunale Ebene nicht doch ein Auslaufmodell?
Ich hab' mich das auch immer wieder gefragt. Aber, wer soll denn all Aufgaben übernehmen? Die Landratsämter? Da gäb' es dann bei der Vielzahl der Einrichtungen immer wieder verschiedene Ansprechpartner und Kostenträger. Ob das wirklich sinnvoll ist, wag ich zu bezweifeln. Und mit der Sozialarbeit allein ist es ja nicht getan. Denken wir doch auch an die Denkmalpflege, an das weite Feld von Kultur und Brauchtum, von dem auch unsere Vereine hier im Landkreis immer wieder profitieren.

Nun ist Tirschenreuth aber seit 2003 nur noch durch Ludwig Spreitzer dort vertreten. Und der ist von der CSU.
Für die SPD ist damals ja Traudl Thomas angetreten. Gerade einmal 700 Stimmen haben ihr gefehlt. Ich mein, man muss der Bevölkerung diesmal schon irgendwie vermitteln: Okay, die CSU hat die große Mehrheit, aber es ist sicher von Vorteil für den Landkreis, wenn da noch jemand mit vertreten ist. Schließlich haben wir hier mit dem Sibyllenbad ja eine nicht gerade unbedeutende Einrichtung im Landkreis.

Also eine Arbeit über Parteigrenzen hinweg?
Warum nicht? Es geht hier ja um die Sache, da muss man sich nicht politisch noch bekriegen.

Was ist denn so wichtig für Sibyllenbad?
Das Hotel natürlich. Ob Wellness oder Kur, ist eigentlich egal.

Nun fürchten das ja gerade die kleineren Pensionen.
Ich glaube nicht, dass die darunter leiden werden. Was im geplanten Vier-Sterne-Hotel absteigt, ist doch eine ganz andere Klientel. Das sind dann zusätzliche Gäste, die man bisher nicht erreichen konnte. So ein Hotel würde auch Arbeitsplätze schaffen, gerade für Frauen. Und es wäre wichtig für unsere zukünftigen Hotel- und Touristikmanager, die wir zwar an der Fachschule in Wiesau ausbilden, denen wir aber hier im Landkreis keine entsprechenden Plätze bieten können. Wellness ist in. Wir können es uns nicht erlauben, auf dieser Erfolgswelle nicht mit zu schwimmen. Man kann doch davor nicht einfach die Augen verschließen.

Abwanderung ist seit Jahren das große Thema der Region.
Leider. Die Kinder sind weg. Und wir müssen viel dafür tun, dass sie auch wieder zurückkommen können.

Wie stellen Sie sich das vor?
Die Politik kann keine Arbeitsplätze schaffen, das wissen wir. Aber wir können etwas für das Umfeld tun. So ziemlich jeder Ort hat ein Gewerbegebiet. Wir haben bodenständiges Personal, günstiges Bauland, eine Lebensqualität, wie man sie suchen muss. Wir haben eine vielfältige Kultur, Einkaufsmöglichkeiten. Es gibt Schulen jeder Art für ein breites Bildungsangebot, Kinder müssen nicht schon bei der Geburt im Kindergarten angemeldet werden. Die öffentliche Förderung ist doch auch nicht schlecht. Warum also sind Betriebsansiedlungen Mangelware?

Weil die Frauen der Führungskräfte nicht aufs Land wollen, heißt es immer wieder.
Ich glaub' das nicht. Wir haben hier doch wirklich alles.

Trotzdem sind die Innenstädte oft tot.
Weil lange Zeit eine falsche Politik betrieben worden ist. Man hat die Super-Märkte am Ortsrand angesiedelt und die "Tante-Emma-Läden" und kleinen Geschäfte mussten aufgeben. Wenn ich da oft die leeren Häuser sehe. Wirklich schlimm. Wir müssen dafür sorgen, dass meinetwegen ein Enkel das Haus der Oma wieder nimmt und herrichtet und dort lebt. Das ist doch viel schöner als irgendwo in der Großstadt zu sein. Da müssen wir Anreize schaffen. Das ist doch auch ein Stück Lebensqualität.

Und die Landschaft.
Die ist unser einziges Kapital. Deshalb bin ich auch so gegen diesen Motorsport-Kurs im Hessenreuther Wald. Was sollte denn der für Arbeitsplätze bringen? Für eine Bratwurst-Bude vielleicht und dafür ist noch Pacht zu zahlen.

Sind Sie grün angehaucht?
Die Grünen haben das Unmögliche gefordert, um das Mögliche zu erreichen. Ich setze mich für Umwelt- und Naturschutz ein. Aber ich bin deshalb keine Grüne. Bei der SPD steht halt das Soziale im Vordergrund.

Dafür fehlt ihr aber irgendwie der politische Nachwuchs, wenn ich so an die Jusos denke.
Das ist wirklich traurig, dass wir die Jugend nicht so bewegen können. Da bräuchten wir vielleicht mehr Geld, um mit Fahrten und T-Shirts und Überraschungspaketen junge Leute anzusprechen. Ich mach' mir da wirklich Sorgen. Irgendwie fehlt der Draht nach ganz unten. Was waren wir glücklich, als wir wenigstens für die Kommunalwahl einige neue Kandidaten unter 40 Jahren nach langem Zureden präsentieren konnten.

Der Wahlkampf geht langsam dem Ende entgegen.
Das ist immer so ein Spagat. Eigentlich will ich gar nicht auf jedes Fest. Aber gehst du nicht hin, heißt es, die hält nix von dir. Gehst hin, heißt es, die will sich nur profilieren. Aber die Zeit, die man dort sitzt, könnte man wirklich sinnvoller verbringen. Leuten, die was wollen und brauchen, helfen. Oder zumindest sagen, wo sie Hilfe bekommen können.

Sie sind vom Sternzeichen her Jungfrau. Denen sagt man nach, sie denken gern über Gott und die Welt nach und beobachten ihre Umwelt kritisch. Zitat aus einem Astrologie-Buch: Sie könnte so viel mehr Sympathie ernten, wenn sie mit ihren weniger perfekten Zeitgenossen gnädiger wäre und keine gar so scharfe Zunge hätte.
Ich weiß, das ist mein Fehler, dass ich das Herz auf der Zunge habe. Was bin ich da schon in Fettnäpfchen getreten? Aber andererseits will ich mich nicht verstellen. Ich bin dann nicht ich.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Dass ich in den Bezirkstag komme. Dass wir alle nicht umsonst gekämpft haben.

Und persönlich?
Dass Norbert gesund wird und wir all das noch machen können, was wir uns vorgenommen hatten. Ach ja, und Oma wäre schön.

aus oberpfalznetz.de

Interview: Berthold Zeitler, Foto: grüner

 

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